Mittwoch, 30. Oktober 2019

Gleichstellung – je 50 Prozent beider Geschlechter in der Verwaltung

Auch sechs Jahre nach dem Aktionsplan zur «Gleichstellung von Frauen und Männern sowie zur Stärkung der Familien in der Stadt St.Gallen» warten wir auf den Durchbruch. Die Schweiz verfügt über eine der höchsten Frauenerwerbsquoten der Welt, Frauen sind aber kaum in Führungspositionen vertreten. Die Stadt muss sich weiter einsetzen und gezielt auf gemischte Teams hinwirken. In sämtlichen Bereichen ist für beide Geschlechter ein Ziel von jeweils 50% in Kader- und Führungspositionen zu setzen. Weiter soll die Stadt aktiv Teilzeitkarrieren und Jobsharing fördern.

Jacqueline Gasser-Beck im Namen der Grünliberalen Fraktion zur Motion «Vereinbarkeit von Beruf Familie, Frauen in Kader- und Führungspositionen».

 

Wie wir der Antwort des Stadtrats entnehmen können, hat der Stadtrat bereits 2013 einen Aktionsplan zur «Gleichstellung von Frauen und Männern sowie zur Stärkung der Familien in der Stadt St.Gallen» verabschiedet. Obwohl sich der damals verabschiedete Aktionsplan nicht ausschliesslich auf dem Arbeitsmarkt bezog, wurden in der Folge zahlreiche Massnahmen wie die Flexibilisierung der Arbeitszeit, Homeoffice, Teilzeitarbeit, bezahlter Mutter- und Vaterschaftsurlaub, sowie eine Verbesserung des Angebots für ausserfamiliäre Betreuungsangebote ergriffen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern.

 

Die Massnahmen waren sinnvoll und nötig. Nicht nur um die Stadt weiterhin als attraktive Arbeitgeberin in einem kompetitiven Umfeld zu positionieren, sondern auch weil weder das 1996 in Kraft getretenen Gleichstellungsgesetz noch die 2005 eingeführte Mutterschaftsentschädigung die erhofften positiven Effekte für Frauen im Erwerbsprozess zeigten.

Doch fünf Jahre und zahlreiche Massnahmen später warten wir noch immer auf den nötigen ‘Push’.

Im sog. «Class Ceiling Index» des Economist liegt die Schweiz auch 2018 noch immer weit abgeschlagen auf dem viertletzten Platz, vor der Türkei, Japan und

Südkorea. (An der Spitze liegen nicht überraschend Norwegen, Island und Schweden).

 

Wie ist es möglich, dass die Schweiz zwar über eine der höchsten Frauenerwerbsquoten der Welt verfügt und, wie wir sehen, zahlreiche Massnahmen im Bereich der Vereinbarkeit ergriffen hat, aber trotzdem kaum Frauen in Führungspositionen aufweist?

 

Die Antwort auf diese zugegebenermassen schwierige Frage wurde breit untersucht. Neben (relativ einfachen) strukturellen Anpassungen wie dem Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten oder die – von der glp immer wieder geforderten – Individualbesteuerung, auf die wir in diesem Kontext nicht eingehen wollen, sind nachweislich diejenigen Massnahmen zielführend, die sogenannt ‘egalitäre Familienmodelle’ unterstützen.

 

Ich kann Ihnen das anhand eines Beispiels illustrieren:

Man könnte meinen, dass die Ermöglichung von Teilzeitarbeitsstellen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern und somit die Karrierechancen von Frauen verbessern. Doch dies ist leider nicht automatisch der Fall.

 

Erlauben Sie mir hierzu einen kurzen (wissenschaftlichen) Exkurs:

Die Schweiz verfügt, wie bereits erwähnt, über die höchste Frauenerwerbsquote. Gleichzeitig weisen wir, nach den Niederlanden, die zweithöchste «Frauenteilzeit-Erwerbsquote» auf, während wir gleichzeitig über die niedrigste «Männerteilzeit-Erwerbsquote» verfügen. Zudem arbeiten Frau in der Deutschschweiz in eher tiefen 30 bis 60% Teilzeitpensen, während Männer überwiegend in 70-plus Teilzeitpensen arbeiten. Da tiefe Teilzeit-Erwerbspensen nachweislich einen negativen auf die Karriereentwicklung haben, ist schnell erklärt, weshalb zwar viele Frauen in der Schweiz einer Erwerbstätigkeit nachgehen, aber nur wenige in Kader- oder Führungspositionen sind.

 

Dies zeigt eindrücklich, weshalb mit einer blossen Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse kaum die erwünschten Effekte erzielt werden können:

Die Ermöglichung von Teilzeitpensen hat nur dann einen positiven Effekt auf die Gleichstellung, wenn diese von beiden Geschlechtern in ähnlichem Umfang wahrgenommen werden. Nötig sind deshalb «Teilzeitinitiativen für Männer und Väter» oder sogenannte «Top-Sharings» (auch wenn dies für den Arbeitgeber Mehraufwand oder Mehrkosten bedeuten kann).

 

Das gemachte Beispiel zeigt meines Erachtens eindrücklich auf, dass ein Fokussieren auf rein arbeitsmarktliche Flexibilisierungsmassnahmen nicht ausreicht. Die Stadt muss ich für Massnahmen einsetzen, welche den Gendergap aktiv überwinden.

Konkret verstehen wir darunter, dass Stellen künftig nicht nur genderneutral ausgeschrieben werden und man anschliessend «realistisch» bis «fatalistisch» entgegennimmt was der Markt «halt so hergibt». Im Bewerbungs- und selbstverständlich auch im Beförderungsprozess soll gezielt auf gemischte Teams hingearbeitet werden, um tief verankerte Rollenbilder zu überwinden. Gerade als öffentlich-rechtliche Arbeitgeberin muss die Stadt mit gutem Vorbild voran gehen und der Privatwirtschaft aufzeigen, wie man Frauen motiviert, sich für anspruchsvolle Positionen zu interessieren und auch zu engagieren.

 

Wir unterstützen deshalb die Zielsetzung der Motion zu Vereinbarkeit von Beruf Familie, Frauen in Kader- und Führungspositionen, möchten sie aber in zwei Punkten ergänzen:

· Erstens fordern wir eine «genderneutrale Formulierung», die darauf abzielt, dass auch ein angemessener Anteil männlicher Arbeitnehmer in traditionellen «Frauendomänen» angestrebt wird.

· Zweitens ist in allen Verwaltungsbereichen ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis anzustreben, da wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass bei einem Mindestanteil von 40% der sog. ‘Genderbias’ in Teams und Arbeitssituationen überwunden werden kann.

 

Wir bitten Sie deshalb unserem Abänderungsantrag zu folgen.

 

 

Weitere Aspekte / Verankerte Rollenbilder:

  • Familiengründung: «Downward Mobility» bei Frauen vs. «Karrieresprung» beim Mann. ---> Karriereplanung für Frauen (vor Mutterschutz)
  • Persönliche Voraussetzungen: «Frauen wollen gar nicht nach oben»; «Helvetia Ruft» zeigt das Gegenteil. Funktioniert allerdings nur, wenn keine Stigmatisierung befürchtet wird.