Mittwoch, 29. April 2020

Schottergärten könnten sehr wohl verhindert werden

Wir brauchen mehr qualitativ hochwertiges Grün und mehr Biodiversität in der Stadt. Schottergärten sind wenig sinnvoll. Der Stadtrat sieht sich gegen diese Mode machtlos. Doch es ist also keineswegs so, dass nichts gemacht werden kann. Es stellt sich vielmehr die Frage, ob man etwas machen will.

Postulat Doris Königer, Guido Berlinger-Bolt, Marlene Bodenmann: Keine Schottergärten in der Stadt St.Gallen – mehr Biodiversität auch in privaten Gärten; Frage der Erheblicherklärung,
Jacqueline Gasser-Beck im Stadtparlament

 

Wir bedanken uns beim Stadtrat für die Beantwortung des Postulats, wenngleich wir mit der Antwort nicht in allen Teilen einverstanden sind.

Vorab sei bemerkt, dass es hier im Kern nicht um die unbeliebten Schottergärten geht, sondern vielmehr darum, wie in Zeiten der Verdichtung, Grünflächen auf Stadtgebiet in möglichst hoher Qualität für Mensch und Biodiversität gestaltet bzw. erhalten werden können.

 

Diese Aufgabe – auch ökologischer Ausgleich genannt - leitet sich aus dem Bundesrecht, Art. 18b Abs. 2 des Natur- und Heimatschutzgesetzes, ab und ist deshalb klar von den Gestaltungsvorschriften gemäss Art. 99 PGB abzugrenzen.

In Art. 15 der Verordnung zum Natur- und Heimatschutzgesetzt wird die Aufgabe wie folgt näher umschrieben:

Der ökologische Ausgleich (Art. 18b Abs. 2 NHG) bezweckt insbesondere, isolierte Biotope miteinander zu verbinden, nötigenfalls auch durch die Neuschaffung von Biotopen, die Artenvielfalt zu fördern, eine möglichst naturnahe und schonende Bodennutzung zu erreichen, Natur in den Siedlungsraum einzubinden und das Landschaftsbild zu beleben.

 

Der Kanton delegiert diese Aufgabe an die Gemeinden in Art. 130 PGB wie folgt:

Ökologischer Ausgleich

1
Die politische Gemeinde sorgt in intensiv genutzten Gebieten innerhalb und ausserhalb des Siedlungsgebiets für den ökologischen Ausgleich mit Feldgehölzen, Hecken,
Uferbestockungen oder anderer naturnaher und standortgemässer Vegetation.

 

Abs. 1 ist ein Handlungsauftrag an die Gemeinden, den ökologischen Ausgleich zu regeln. Unklar ist, wie gross der Handlungsspielraum ist und mit welchen Massnahmen sie diesen umsetzen können.

Genau diese Frage, wie die Stadt den ökologischen Ausgleich auf Stadtebene –regeln kann und umzusetzen gedenkt, soll mit diesem Postulat abgeklärt werden. Dieser Frage wurde mit der Beantwortung des Postulats nicht vertieft nachgegangen. Insbesondere stellt sich auch die Frage, ob im Rahmen der Gesamtrevision der Bau- und Zonenordnung konkrete(re) Massnahmen auch für Grundeigentümer eingefordert werden können.

 

Der Stadtrat ist der Meinung, dass im Rahmen der Umsetzung des ökologischen Ausgleichs nach Art. 130 PBG überhaupt keine grundeigentümerverbindliche Vorgaben gemacht werden können. Die Stadt könne lediglich in konkret bezeichneten Gebieten wie Altstadt, den geschützten Ortsbildern, den Gebieten mit besonderem baulichem Erscheinungsbild, den Wohnzonen mit besonderen Anforderungen, Landschaftsschutzgebieten sowie bei Sondernutzungsplänen auch höhere Anforderungen bezüglich Gartengestaltung verlangen (Art. 99 Abs. 2 PBG). Der Stadtrat begnügt sich heute im Wesentlichen mit einer dafür sensibilisierten Bauverwaltung; verbindliche und nachvollziehbare ökologischen Vorgaben für die Aussenraumgestaltung in solchen Gebieten gibt es nicht.

 

Das man das durchaus auch anders sehen kann, zeigt das Amt für Natur, Jagd und Fischerei des Kantons, in seinen Musterbaureglementen zur Förderung der Biodiversität in der Gemeinde, welche es gestützt auf die kantonale Biodiversitätsstrategie (2018 bis 2025) ausformuliert hat. Dort wird eine progressive Lesart im Sinne des Bundesgerichts und der Literatur vorgezeichnet.

 

So könnte die Bestimmung zu Art. 130 PGB in der zu revidierenden Bau- und Zonenordnung z.B. wie folgt aussehen:

 

Neuer Artikel «Umgebungsgestaltung»

1 Bei Neubauten und wesentlichen Umbauten ist ein Flächenanteil von mindestens 10%* der gesamten Aussenanlagen und Umgebungsflächen, im Sinne des ökologischen Ausgleichs, naturnah zu gestalten.

 

2 Im Situations- oder einem Umgebungsplan ist verbindlich darzulegen, wo und wie dieser ökologische Ausgleich erfolgt.

 

3 Anrechenbar sind aus einheimischen Gehölzarten bestehende Hecken und Feldgehölze, hochstämmige einheimische Bäume sowie Blumenwiesen und begrünte Fassaden. Beim Pflanz- und Saatgut ist auf regionale Herkunft zu achten. Möglich sind zudem Trockenmauern, naturnah gestaltete Weiher, Tümpel, Versickerungsanlagen, Bachläufe und ihre mit einheimischen Pflanzenarten bestockten Uferbereiche. 4 Vorplätze und Abstellplätze sind mit einem möglichst wasserdurchlässigen Belag auszuführen.

 

 

Es ist also keineswegs so, dass nichts gemacht werden könnte. Es stellt sich vielmehr die Frage, ob man etwas machen will.

 

Gerade die vorgeschlagene Lösung ANJF entspricht ganz und gar einer grünliberalen Haltung. Es werden nicht per se bestimmte Gartengestaltungselemente verboten, sondern es wird eine nachhaltige Gartengestaltung mit viel persönlichen Gestaltungsfreiraum eingefordert. Zudem stärkt dies die Rechtssicherheit bei Bauprojekten, da die Bauherren genau wissen, was von ihnen verlangt werden kann.

 

Darüber wie hoch der prozentmässige Ausgleich der naturnah gestalteten Fläche ausfallen soll, kann und soll vortrefflich gestritten werden. Daran wird sich zeigen, wie progressiv St.Gallen im Gegensatz zu anderen Gemeinden auftreten will. Hier aber die Segel schon vor dem Kampf zu streichen wäre aus unserer Sicht völlig verfehlt.

 

Ob und in wie weit weitere Förderungsmassnahmen, Aufklärungskampagnen oder auch Prozess- und Qualitätsicherungsoptimierungen im Baubewilligungsprozess denkbar sind, soll ebenfalls im Rahmen dieses Postulats abgeklärt werden.

 

Wir möchten sicherstellen, dass die Stadt St.Gallen in diesem Meinungsbildungsprozess und auch in der öffentlichen Diskussion eine aktive und führende Rolle einnimmt, weshalb wir eine «Nichterheblicherklärung» des Postulats klar ablehnen.